Freitag, 25. Juli 2014

Präeklampsie


Dieser Post ist echt lang und es gibt keine Fotos. 
Aber es ist ein wichtiger Bericht für mich um das erlebte zu verarbeiten. Ich hätte mir solche Berichte gewünscht, als ich in der akuten Situation war. Deshalb habe ich mich entschlossen einen zu schreiben.

Eine Präeklampsie ist eine Schwangerschafsvergiftung.
Ich hatte eine Präeklampsie in der ersten Schwangerschaft. 
Bei einer Präeklamsie steigt der Blutdruck und es besteht die Gefahr, dass das Kind unterversorgt wird. 
In schlimmen Fällen können einzelne Organe versagen. Es kann auch passieren, dass die Mutter ins Koma fällt.

Eine Präeklampsie kann ab der 20. Schwangerschaftswoche auftreten. Wir hatten Glück und es kam erst viel später. Zum Glück wird bei jeder Vorsorgeuntersuchung der Blutdruck gemessen. In der 32. Woche war er etwas hoch. Meine Hebamme sagte mir, ich solle mir mal ein Blutdruckmessgerät besorgen und regelmäßiger messen. Das tat ich dann auch. Allerdings hatte ich absolut keine Ahnung davon, welche Werte normal waren (meine waren es ja nicht...)

Wichtig ist der untere Wert, sagte man mir. Der untere Wert ist ab 90 grenzwertig, 100 ist schon bedenklich, ab 110 wird es kritisch. Okay, damit kann ich etwas anfangen.

Ich musste jetzt auch schon jede Woche zur Ärztin, der Blutdruck schwankte immer wieder. In der 33. SSW war er gut (130/80). In der 34.SSW war er wieder grenzwertig (145/90). In der 35.SSW war er dann bei 180/120!!!

Ich erinnere mich noch genau daran, wie das so war. Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen, bin durch die Wohnung gelaufen und habe "Eklampsie" gegoogelt. 
Zum Glück hatte ich am nächsten Morgen sofort meinen Frauenarzttermin, sonst wäre ich ins Krankenhaus gefahren. Jetzt würde ich nicht mehr warten, aber das wusste ich damals nicht.

Bei der Frauenärztin war der Blutdruck bei 170/120 und ich hatte zuviel Eiweiß und Blut im Urin. Auf einmal ging alles rasendschnell. Zum Glück war der Herzmann dabei. Er sollte mich sofort ins Krankenhaus fahren. Ich bekam eine Tablette, musste liegen, durfte nur zum Auto gehen (eigentlich hätte meine Ärztin einen Krankenwagen rufen müssen, aber sie wollte mir nicht noch mehr Aufregung zumuten).
Im Krankenhaus wurde ich sofort untersucht. Es wurde ein Dopplerultraschall gemacht, um die Versorgung des Babys festzustellen. Die war zum Glück okay!

Leider war ich noch nicht in der 36. SSW. so dass ich dann abends doch in die Uniklinik nach Köln verlegt wurde. 
Der Oberarzt sagte noch "Sie werden jetzt ganz bald Mama."
Ich wusste nicht, ob ich jubeln oder weinen sollte. 

Als ich in der Uniklinik ankam war das OP-Team schon bereit. Allerdings konnten wir dann doch noch warten, weil es dem Baby ja gut ging.
Ich kam dann im Kreißsaal in einen Überwachungsraum. Alle 10min. hat ein Gerät meinen Blutdruck gemessen. An Schlaf war nicht zu denken. Mein Mann war die ganze Zeit bei mir.

Am nächsten Tag wurde ich dann auf die Station verlegt. Mir wurde noch Fruchtwasser abgenommen, weil ich zu viel hatte und weil man damit die Wehen anregen kann.

Auf einmal ging alles nur noch darum das Baby auf die Welt zu bringen.
Ich war völlig verwirrt. Ich hatte mich noch gar nicht auf die Geburt richtig vorbereitet. Natürlich hatten wir einen Geburtsvorbereitungskurs besucht, aber ich hatte noch keine Kliniktasche gepackt, ich wollte noch so vieles über das Stillen erfahren, über Geburt lesen etc.

Ich habe keine Wehen bekommen. Im Gegenteil, alles hat sich entspannt. Außerdem sind es ja noch fast 4 Wochen bis zum errechneten Termin!

Nachmittags ging es dann wieder in den Kreißsaal, ctg schreiben und Geburtseinleitung mit Tabletten.  Zusätzlich immer dieses Blutdruckmessgerät am Arm. Die Wehen gehen ganz leicht los (ich merke nichts davon), der Blutdruck steigt. Ich bekomme Magnesium. Der Blutdruck sinkt, die Wehen gehen weg. 

2 Stunden später das ganze Spiel nochmal. 
Um mich herum fangen ca.1000 Frauen gleichzeitig an zu schreien. 
Oje. Ich soll mein Kind bekommen und kann nicht und bei den anderen geht es einfach so los. Zuviel. Ich bin total fertig mit den Nerven. Meine Kraft ist auch langsam am Ende. Ich weine und werde in den Belegkreißsaal gebracht, der auf der anderen Seite des Flures liegt.
Wir sollen zur Ruhe kommen und schlafen.

Am nächsten Morgen bin ich trotzdem so fertig, dass ich kaum noch aus dem Bett aufstehen kann. Die Ärztin kommt zum Gespräch. Sie sagt uns, dass gleich wieder eingeleitet werden soll. Ich gebe mich geschlagen.
Mein Mann allerdings sagt: "Nein, wir machen jetzt einen Kaiserschnitt!"
Die Ärztin nickt, ein Kaiserschnitt ist aus medizinischer Sicht völlig okay. 
Ich bin erleichtert. 

Ein paar Stunden später kommt unser erstes Baby zur Welt. Sie ist 44cm klein und wiegt 2480g. Sie ist fast 4,5 Wochen zu früh geboren. Aber sie ist perfekt. Es geht ihr so gut, das sie nicht auf die Frühchenstation oder in die Kinderklinik muss. Sie bekommt ein Wärmebettchen und ist direkt bei mir!

Ich habe bereits im Krankenhaus ca. 10kg abgenommen, weil man bei der Erkrankung total viel Wasser einlagert. 
Ich habe dann noch ca. 4 Wochen lang blutdrucksenkende Tabletten eingenommen. Und ich habe etwas länger gebraucht um mich zu erholen. Die Therapie dieser Krankheit ist die Geburt.

Warum schreibe ich diesen ellenlangen Post?
Ich habe von einigen Frauen gehört, die nach einer Präeklampsie keine Kinder mehr wollen. Und ich selber habe lange gebraucht um zu verstehen, was da passiert. Man fragt sich "Warum will mein Körper das Kind nicht behalten?" 
Ich hab mir oft einen ehrlichen Erfahrungsbericht gewünscht, um mich verstanden zu fühlen. Und auch, um mich in meinen Traum noch mehr Kinder zu bekommen zu bestärken. 

Viele Leute, die mit dieser Krankheit zu tun haben sagen: "Das passiert nur bei einem Kind", ja, aber was ist, wenn es bei uns ausgerechnet nicht so ist?
Die Wahrscheinlichkeit, diese Krankheit wieder zu bekommen ist höher, als bei anderen.

Man kennt bis heute keine Ursache, vermutet, dass die Plazenta irgendetwas aus dem Genmaterial des Mannes nicht annimmt (so habe ich das verstanden). Auch die Blutgerinnung spielt eine wesentliche Rolle.

 Als wir dann über ein 2. Kind nachgedacht haben, kam uns diese Zeit immer wieder in den Sinn. Es war eine schlimme Zeit und wir haben uns ernsthaft gefragt, ob wir das nochmal durchstehen.

Wir haben viel gelesen und waren nochmal im Pränatal Zentrum und hatten ein Gespräch mit dem Arzt dort. Es war ein tolles Gespräch, das uns bestärkt hat unser 2. Kind zu bekommen.
Die Frau des Arztes hatte das auch und die Kölner Uni Klinik ist eines von weltweit 3 Krankenhäusern, die diese Krankheit (durch eine Art Dialyse) heraus zögern können.

Die 2. Schwangerschaft war super. Ich habe mich gut gefühlt, auch, wenn ich eine Risikoschwangere war. Ich musste jeden Monat zur Doppleruntersuchung und habe ein Ersttrimesterscreening und Missbildungsdiagnostik gemacht. Das Screening ergab sogar, dass ich eine erhöhte Wahrscheinlichkeit habe, wieder eine späte Präeklapsie (ab SSW 28) zu bekommen.
Ich musste Aspirin nehmen, weil es das Blut verdünnt. Nimmt man das aber zu lange besteht die Gefahr, dass sich das Herzchen nicht richtig schließt.


Ich hatte frühzeitig eine Kliniktasche gepackt und mich in der Uni Klinik angemeldet.

Aber alles ging gut. Am errechneten Termin ging der Blutdruck dann doch hoch (130/110) und wir fuhren sofort ins Krankenhaus. Aber wir waren doch viel ruhiger. Aufgrund meiner Vorgeschichte haben sie mich dabehalten. 

Unser 2. Baby wurde 4 Tage nach dem ET auch mit Einleitung und Kaiserschnitt geboren. 
Weil auch das Übertragen wieder ein höheres Risiko birgt.

Sie hatte die Nabelschnur um den Hals gewickelt und wurde unter den Wehen nicht ausreichend versorgt.

Später stellte sich heraus, dass die Nabelschnur an der Seite der Plazenta angewachsen war. Das ist sehr gefährlich, weil sie schneller abreißen kann.

Wir stellten also fest, dass uns das Schicksal wieder herausgefordert hatte aber auf ganz andere Weise.

Wir sind unglaublich dankbar für beide Kinder, weil wir wissen, dass sie eine besondere Geschichte haben. Und ich habe gelernt, dass man das Schicksal nicht umgehen kann.

Ich möchte Mut machen, allen Eltern, die eine schwierige Schwangerschaft und blöde Geburt hatten, den Traum der gewünschten Kinderzahl nicht davon abhängig zu machen, was passieren könnte. Vielleicht sind diese Eltern so viel sensibler ihren Kindern gegenüber. 

Wir haben uns oft gefragt, warum ausgerechnet haben wir risikoreiche Schwangerschaften und schwierige Geburten. Ich möchte so gerne eine "normale" Geburt erleben, Wehen haben, schreien, schmerzen etc. 

Meine Antwort finde ich darin, dass wir in der Lage sind, es zu ertragen. Wir sind Stark genug das durchzuhalten, das auszuhalten und uns gemeinsam dadurch zu manövrieren.
Und wir sind dadurch stärker geworden!
Ich bin nun mal gläubig und denke, so kann ich das geschehene annehmen.

Ich wünsche euch ein schönes Wochenende.
Eure Paula

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